Hybrides Arbeiten im öffentlichen Sektor - Stapel mit Akten auf dem Schreibtisch - Kraus & Partner Blog

Die Herausforderungen von hybriden Arbeitsmodellen im öffentlichen Sektor – Warum wurden wir gerufen?

Auch im öffentlichen Sektor macht sich der Fachkräftemangel bemerkbar und Verwaltungen haben zunehmend Schwierigkeiten, gutes Personal zu finden. Gleichzeitig wird eine „neue“ Arbeitsweise sowie die Möglichkeit von Zeit zu Zeit im Home Office arbeiten zu können insb. von jüngeren Bewerber:innen zunehmend erwartet und ist eines der Kernkriterien bei der Auswahl des Arbeitgebers.

Vor diesem Hintergrund wurden wir von einer öffentlichen Verwaltung mit dem Wunsch kontaktiert, ein Konzept zu erarbeiten, wie freiwilliges Home Office für Mitarbeitende ausgeweitet werden kann. Als erschwerende Rahmenbedingung stellte sich die Bürosituation dar: die Büroräume in der Verwaltung wurden knapp, sodass flexible Lösungen im Sinne eines Teilens von Arbeitsplätzen notwendig werden.

Im Kern wurden also zwei Ziele verfolgt: Platz gewinnen durch eine flexiblere Nutzung von Arbeitsplätzen in der Verwaltung und Home Office ausweiten, um die Attraktivität als Arbeitgeber für Mitarbeitende und Bewerber:innen zu erhöhen.

Unser Auftrag bestand also darin, ein Konzept für die Ausweitung von Home Office und eine flexiblere Nutzung der Arbeitsplätze im Büro zu erstellen.

Wie sah die Situation zu Beginn aus

In der Analysephase stellte sich schnell heraus, dass die Verwaltung vor einer nicht ganz leichten Ausgangssituation stand. Einerseits sollte Home Office ein freiwilliges Angebot für die Mitarbeitenden sein und diesen mehr Flexibilität im Arbeitsalltag ermöglichen. Andererseits war eine gewisse Home Office-Quote essenziell notwendig, um Büroarbeitsplätze in der Verwaltung zu gewinnen. Diese Zwickmühle war vor allem darauf zurückzuführen, dass eine Flexibilisierung der Flächen in der Verwaltung im Sinne einer modernen Flächen- und Arbeitsplatzgestaltung nur begrenzt möglich war. Die Räume der Verwaltung sind überwiegend sehr klein geschnitten. Das Gebäude steht zudem unter Denkmalschutz, so dass größere Umbaumaßnahmen kaum möglich sind.

Besonders war zudem, dass die Verwaltung gerade aus einer Corona-Zeit kam, in der die Home Office-Nutzung zugenommen hatte. Mitarbeitende, die vorher von Zeit zu Zeit 1, maximal 2 Tage Home Office gemacht hatten, hatten fast ein Jahr lang ausschließlich von zu Hause, teilweise am Küchentisch, gearbeitet. Die technische Ausstattung war zudem (noch) nicht state-of-the-art und die Kommunikation im Team hatte über die Zeit sehr stark abgenommen. Als wir als Berater hinzukamen, war bei vielen eine deutliche Home Office-Müdigkeit spürbar. Viele wollten überwiegend im Büro arbeiten, um das Team wieder besser zu spüren.

Hybrides Arbeiten im öffentlichen Sektor: Diese Themen standen im Fokus

Im Zuge unserer Analyse haben sich vier Themenfelder herauskristallisiert.

  1. Technische Voraussetzungen: Um auf Dauer hybride Zusammenarbeit (einige Mitarbeitende im Büro, einige im Home Office oder Außendienst) effektiv möglich zu machen, fehlte es an grundlegenden technischen Dingen (flächendeckendes W-Lan, digitale Akte, CTI-Telefonie). Unsere Empfehlung war daher, die bereits laufenden Digitalisierungsprojekte zu priorisieren und (weiter) in Digitalisierung zu investieren. Da der Handlungsspielraum zum Projektzeitraum aufgrund der genannten technischen Herausforderungen begrenzt war, haben wir Veränderungen im kleineren Rahmen empfohlen, die die Kommunikation im hybriden Team verbessern (z.B. Nutzung eines Chat-Programms, Freischalten der Outlook-Kalender zur besseren Koordination untereinander). Videotelefonie oder gar integrierte Kollaborationslösungen wie die Nutzung von MS Teams waren aufgrund der fehlenden technischen Infrastruktur nur bedingt zielführend, waren aber mittelfristige Empfehlungen unsererseits.
  2. Organisatorisch-infrastrukturelle Voraussetzungen: Da in den Fachbereichen viele Teilzeitbeschäftige tätig waren und Home Office verstärkt genutzt werden sollte, standen Büroräume zu bestimmten Zeiten leer. Die Gesamtauslastung betrug bei durchschnittlich einem Home Office-Tag teilweise unter 50 Prozent. Insofern ergab es Sinn, Büroarbeitsplätze mit mehreren Mitarbeitenden zu teilen (Tandems oder Tridems) bzw. Plätze flexibel nutzbar zu machen (z.B. mit Workbenches), um so insgesamt etwas Fläche einzusparen. Wichtig war, dass bei Vollbesetzung immer noch ausreichend Arbeitsplätze zur Verfügung standen. Unsere Empfehlung war, arbeitgeberseitig Rahmenparameter festzulegen (bspw. max. Nutzung von Home Uffice, Bedingungen für Anspruch auf Einzelarbeitsplatz, Ausstattungspakete im Home Office) innerhalb derer Mitarbeitende dann eigenverantwortlich die Home Office-Nutzung und das Teilen von Arbeitsplätzen organisieren können. Mitarbeitende sollten in die Umgestaltung einbezogen werden und selbst bestimmt agieren können.
  3. Führung und Zusammenarbeit: Im Rahmen des hybriden Arbeitens beschrieben die Beteiligten der Fachbereiche, dass die Kommunikation und der persönliche Draht untereinander stark abgenommen hätten. Es bestand die Sorge, dass kurzfristige Abstimmungen und persönlicher Austausch im hybriden Team nicht mehr möglich seien. Es war insbesondere notwendig, die Kommunikation über Distanz zu verbessern, da die Kommunikation im Büro als deutlich besser empfunden wurde. Das Einführen von Regelterminen (virtuell und Präsenz), Meetingroutinen, virtuellen informellen Meetings und Mitarbeitenden-Sprechstunden waren Beispiele für Maßnahmen, durch die gute Kommunikation auch über den virtuellen Raum gewährleistet werden kann. Bei hybriden Meetings ist zudem zu empfehlen, gleiche Voraussetzungen für alle Teilnehmenden zu schaffen, d. h. nicht diejenigen, die gemeinsam im Büro sitzen zu bevorzugen und die Kolleg:innen im Home Office abzuhängen. Im Team sollten klare Regeln für die hybride Zusammenarbeit vereinbart werden (z.B. Erreichbarkeit, Ansprechbarkeit im Home Office, Eskalationsstufen bei kritischen Fällen). Unsere Empfehlung war, dass die Führungskräfte der Verwaltung eine aktive fordernde und auch fördernde Rolle einnehmen, um hybride Zusammenarbeit gezielt zu gestalten.
  4. Veränderungsbegleitung: Um die Änderungen umzusetzen war aus unserer Sicht zunächst eine Befähigung der Führungskräfte und Mitarbeitenden zu hybridem Arbeiten sinnvoll. Ziel war es, den Beteiligten Sicherheit und Routine in der neuen Arbeitsweise zu geben und Verständnis dafür herzustellen, neue Dinge auszuprobieren und zu experimentieren. Darüber hinaus war die kommunikative Begleitung der Veränderungen (Information und Dialog) sowie die Beteiligung der Führungskräfte und Mitarbeitenden Teil unserer Vorgehensempfehlung, um die Akzeptanz für das Projekt sicherzustellen und funktionierende Lösungen gemeinsam zu entwickeln.

Vorgehensweise zur Umsetzung der geplanten Maßnahmen

Im Zuge der anfänglichen Auftragsklärung mit der Auftraggeberin haben wir uns darauf geeinigt, mit zwei Pilotbereichen in der Verwaltung zu beginnen und für diese ein Konzept zu entwickeln. In der Analysephase haben wir in diesen beiden Pilotbereichen Gespräche mit den Führungskräften geführt, um ein Bild über die Ausgangssituation, die Besonderheiten der Bereiche und die Einstellung zu den Inhalten des Projekts zu erhalten. Darüber hinaus haben wir uns im Rahmen einer Begehung vor Ort mit der Arbeitssituation in der Verwaltung vertraut gemacht.

Auf Basis der Analyse haben wir die oben genannten vier Themenfelder identifiziert und erste Lösungsansätze erarbeitet. In einem gemeinsamen Workshop mit den befragten Führungskräften, einzelnen Mitarbeitenden aus den Pilotbereichen, einem Vertreter aus der IT und dem Personalrat (auch Mitglied des Lenkungskreises), haben die Bereiche dann selbst erste Lösungsansätze erarbeitet, wie Home Office und hybride Zusammenarbeit funktionieren können. Im Workshop hat zudem nochmals eine Zielschärfung stattgefunden, die für die beteiligten Bereiche wichtig war.

Die Erkenntnisse aus der Analyse und dem gemeinsamen Workshop bildeten die Grundlage für unser Konzept, welches wir im Anschluss erstellt und mit dem Lenkungskreis besprochen haben.

Erfolgserlebnisse und Stolpersteine – Was galt/gilt es zu beachten?

Essentiell wichtig war unserer Ansicht nach die enge Abstimmung mit der Auftraggeberin des Projekts, um Transparenz zum Prozess herzustellen und immer wieder überprüfen zu können, dass der Kern der Problematik behandelt wurde und die Richtung des Projekts noch stimmte.

Als vorteilhaft hat sich darüber hinaus der frühe Einbezug des Personalrats und der IT erwiesen. So konnte von Beginn an sichergestellt werden, dass realistische Lösungen erarbeitet werden. Beispielsweise waren in der IT schon verschiedene Dinge getestet worden und einige Projekte liefen bereits und konnten direkt in die Lösungsfindung einbezogen werden.

Des Weiteren haben die zwei Pilotbereiche stark voneinander profitiert. Durch die Betrachtung beider Bereiche und das gemeinsame Generieren von Ideen im Workshop wurden Denkmuster leichter aufgelöst (wenn es in Bereich A geht, muss es auch in Bereich B gehen) und man hat sich gegenseitig unterstützt.

Herausforderungen des Projekts waren einerseits hohe grundlegende technische und räumlich-infrastrukturelle Hürden (wie beispielsweise das fehlende W-Lan, die digitale Akte, wenig Möglichkeit zur Flexibilisierung von Arbeitsflächen), die den Handlungsspielraum stark eingegrenzt haben. Neben Grundsatzüberlegungen zum langfristigen Weg der Verwaltung waren daher vor allem flexible Lösungen gefragt.

Andererseits war ein großer Widerstand bei Beteiligten von Beginn an spürbar, den wir vor allem auf die Erfahrungen der Corona-Pandemie zurückgeführt haben, in der das Ausmaß an Home Office immens hoch war. Aus diesen Erfahrungen heraus, war Home Office kein attraktives Angebot mehr, sondern überspitzt gesagt ein „Schreckgespenst“. Den Bezug zum „normalen“ Arbeitsalltag in der Verwaltung für die Mehrheit der Beschäftigten von 1, maximal 3 Tagen Home Office herzustellen, war eine kontextbezogene Herausforderung.

Besonders war letztlich der Kontext des öffentlichen Dienstes. Themen wie Sicherstellung der Bürgernähe, hohe Anforderungen an den Datenschutz und die Tendenzen der Veränderungsablehnung spielten eine Rolle und wurden von uns im Konzept berücksichtigt. Teil unserer Empfehlung war beispielsweise sich von der Kultur des offenen Hauses zu lösen und stärker zu Terminvergaben über zu gehen, womit die Verwaltung während der Corona-Pandemie bereits gute Erfahrung gemacht hatte. Die Vertraulichkeit von Gesprächen zu gewährleisten und ausreichend Platz für ad-hoc Besprechungen zur Verfügung zu haben, kann beispielsweise durch kleinere Umbaumaßnahmen wie das Anbringen von Akustikvorhängen und die Nutzung von Workbenches (Schaffung flexibler Arbeitsplätze) gelöst werden.

➡️ Brauchen auch Sie Unterstützung bei der Einführung und/oder Umsetzung hybrider Arbeitsformen in Ihrem Unternehmen oder Team? Nehmen Sie gerne unverbindlich Kontakt mit uns auf: per Kontaktformular oder telefonisch unter der +49 (0) 7251-989034

Autor

  • Stefanie Faupel

    "Wo Stefanie auftaucht, da bewegt sich was! Das gilt, wenn sie über den Tennisplatz wirbelt – und ebenso in ihren Workshops und Projekten. Dabei besticht Stefanie mit ruhigem Selbstbewusstsein und ihrem Verständnis der Phänomene im Change."